 |  | Jan Gossaert, genannt Mabuse, Maria mit Kind, um 1530 | |
Dieses Bild ist eines derjenigen, mit denen sich die Kunstgeschichte gerne schwer tut. Zu sehen ist die Muttergottes mit Kind. Mit heftigen Gebärden zappelt das zarte Geschöpf mit dem großen, lockengeschmückten Kopf zwischen den Armen der jungen Frau, die mit ihren runden, fast noch kindlichen Augen auf den Kleinen hinabschaut. Das Buch, aus dem noch das Lesezeichen hängt, ist eben zugeklappt. Im Hintergrund wird prächtiger Bau- und Skulpturenschmuck sichtbar, offenbar befindet man sich in einer vornehmen Kammer, vielleicht sogar einer Kirche. Früher galt die Tafel als ein Werk Jan Gossaerts, genannt Mabuse, und war in zwei Ausstellungen sowie zwischen 1960 und 2001 als Leihgabe der Sammlung Alfred Hausammann im Zürcher Kunsthaus zu sehen. Im Juli 2002 aber kam das Gemälde nur noch als „Werkstatt Gossaert“ bei Christie’s in London zur Auktion, erzielte 35.000 Pfund – und soll jetzt bei Koller 1,8 bis 2,2 Millionen Franken wert sein.
Denn nach einer Reinigung wurde die Madonna von Maryan Wynn Ainsworth, Expertin des Metropolitan Museum in New York, in Augenschein genommen, und außer ihr ist auch Jochen Sander vom Frankfurter Städel der Überzeugung, dass es sich doch um einen originalen Gossaert handelt. Datiert wird die Holztafel von Ainsworth in die Zeit um 1530, von Sander etwas früher um 1525. Das Auktionshaus Koller in Zürich, das das Gemälde jetzt aus englischem Privatbesitz entgegengenommen hat, wird damit auf seiner Versteigerung Alter und Neuerer Meister am 28. März hoffentlich den veranschlagten Millionenwert erzielen. Auf dem internationalen Auktionsmarkt wäre das ein neuer Mabuse-Rekord. Der bisherige stammt aus dem Jahr 1998, aufgestellt von Sotheby’s in New York bei 1,5 Millionen Dollar. Der Name Gossaerts fällt auf der Auktion noch zweimal, unter anderem bei einer zarten Madonna mit musizierenden Engeln inmitten einer hauchfeinen spätgotischen Baldachinarchitektur. Die zeitgenössische Kopie nach einem Original des Meisters scheint mit 25.000 bis 35.000 Franken eher moderat taxiert zu sein.
Alte Meister
Überhaupt stellen die alten Niederländer diesmal den mit Abstand bedeutendsten Teil am Angebot des führenden Schweizer Kunstauktionshauses. Einem Nachfolger Rogier van der Weydens aus dem 16. Jahrhundert wird ein kompletter Flügelaltar zugewiesen, der außen Mariae Verkündigung sowie innen die Beweinung zeigt, flankiert von Christus an der Geißelsäule und seiner Kreuztragung. Vor allem der verblauende Fernblick mit einer Stadtlandschaft im Hintergrund und die changierenden Gewandpartien zeigen, dass der zeitliche Abstand zwischen Rogier – von dem vor allem die Figurenszene übernommen ist – und dem Werk selbst schon recht groß ist. Die hohe malerische Qualität soll sich gleichwohl in 300.000 bis 500.000 Franken niederschlagen. Bei 140.000 bis 180.000 Franken steht eine Madonna mit eingeschlafenem Jesusknaben an der Brust aus der Nachfolge Quentin Massys’. Das Bildnis eines vornehmen jungen Mannes im Pelz, aber mit bedeutungsschwanger vor sich liegendem Totenschädel von Dirck Jacobsz kommt für 150.000 bis 200.000 Franken unter den Hammer.
Dem „Jüngeren Meister der Heiligen Sippe“ schreiben die Experten eine Verkündigung Mariae mit den heiligen Bartholomäus und Petrus auf einer zweiteiligen Altartafel zu. Dieser Notnamenträger war um 1475/1510 in Köln tätig, bildet in Kollers Niederländer-Riege also gewissermaßen eine Ausnahme, und wurde nach einem Werk im Wallraf-Richartz-Museum benannt. Ursprünglicher Standort des 1862 zerteilten Altars war die katholische Kirche in Aachen-Richterich, jetziger Einlieferer ist niemand Geringeres als der Modeschöpfer Wolfgang Joop (Taxe 300.000 bis 500.000 SFR). Auch unter den jüngeren Meistern haben die Niederländer die Nase vorn: Jan Breughels d.J. Flusslandschaft mit einer Figurengruppe am Ufer wohl aus den späten 1620 Jahren (Taxe 90.000 bis 120.000 SFR), ein figurenreiches „Quellwunder des Moses“ von Balthasar Beschey und seiner Werkstatt (Taxe 45.000 bis 65.000 SFR), Pieter de Grebbers auf die beiden Protagonisten konzentrierte Gemälde „Christus und die Samariterin“ von 1635 (Taxe 60.000 bis 80.000 SFR) sowie Pieter de Hoochs elegante „Musizierende Gesellschaft auf einer Terrasse“ von 1669 für 90.000 bis 120.000 Franken sind hier nur stellvertretend zu nennen.
Schon seit 1760 ist Gerrit Dous durch effektvolle Lichtregie inszenierter „Einsiedler im Gebet“ von circa 1670 bekannt. Bis 1935 war die kleine Holztafel Teil der Sammlung der Alten Pinakothek München, gelangte kurz darauf durch Tausch an den Berliner Kunsthändler Eduard Plietzsch und wird jetzt aus westschweizer Privatbesitz für 400.000 bis 500.000 Franken zur Verfügung gestellt. Fast als ein Kuriosum tritt ein vierteiliger Zyklus Jan van Kessel d.Ä. auf. Auf kleinen Kupfertafeln illustriert er hier vier Fabelszenen aus dem Tierreich, darunter eine bislang unbekannte, die er sich vielleicht sogar selbst ausgedacht hat (Taxe 150.000 bis 200.000 SFR). Außerdem liefert der Antwerpener Meister ein Pergament mit einer feinen Stilllebenstudie: Ein Schmetterling, eine Schnake, eine Heuschrecke und drei Ameisen haben sich hier um einen Rosenzweig versammelt (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR).
Die Gattung Stillleben bedienen zudem Jacob van Es mit seinem sparsam, aber stilvoll gedeckten Frühstückstisch samt Austern, Oliven und Brot (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR) und Adriaen van Utrecht mit seinem Kücheninterieur, üppig gefüllt mit Gemüseballungen, Wildbrett und Federvieh, an denen sich eben ein Äffchen verlustiert (Taxe 25.000 bis 35.000 SFR). Aus einer flämischen Familie stammte der 1604 in Hanau geborene Isaac Soreau. Er ist für zwei prachtvolle Flecht- und Weidenkörbe mit Früchten und Pflaumenblättern beziehungsweise Weintrauben und Aprikosen um 1640 verantwortlich (Taxen zwischen 120.000 und 180.000 SFR). Die deutsche Renaissancekunst kommt mit dem Portrait eines vornehmen Herren wohl von Hans Brosamer aus dem Jahr 1522 zum Zug, bei dem das Gesicht, die Hände aber weniger überzeugen (Taxe 15.000 bis 25.000 SFR), die Barockkunst mit einer fast übertrieben bewegt gemalten Bekehrung des Paulus von dem in Nürnberg tätigen Friedrich Christoph Steinhammer (Taxe 25.000 bis 35.000 SFR). Zu diesem Preis wird auch Christian Wilhelm Ernst Dietrichs Winterlandschaft mit einem Bauernhaus und einer Brücke über einen vereisten Fluss angeboten.
Mit dem Namen Giorgio Vasaris verbindet sich eigentlich eher der erste Kunstgeschichtsschreiber der Neuzeit. Doch auch als Maler trat er hervor und war von seinen Zeitgenossen durchaus geschätzt, wie der Auftrag für drei Kartuschen in der Michaelskapelle der Torre Pia im Papstpalast in Rom belegt. Während der napoleonischen Zeit wurde die bewegliche Ausstattung dieses Raumes zerlegt. Zwei Fragmente daraus in manieristischem Stil mit den Häretikern Arius und Sabellius sowie dem Philosoph Averroës, die ursprünglich zu einem Triumph des heiligen Thomas von Aquin gegen die Irrlehrer gehörten, bietet Koller für 30.000 bis 40.000 Franken an. Die doppelte Schätzung steht auf Bernardo Strozzis zugeschriebener charmanter Madonna mit Kind und Johannes dem Täufer um 1620. Prachtvoll hat Carlo Manieri wertvolle Brokatstoffe und Gefäße, Bücher und eine Himmelssphäre vor einer Architekturkulisse drapiert; doch eine eben verlöschte Kerze deute auf die Nichtigkeit all dieser Pracht hin (Taxe 35.000 bis 55.000 SFR).
Den Ausgang des 18. Jahrhunderts markieren insgesamt vier Gemälde Jakob Philipp Hackerts, von denen eine beschauliche „Küstenlandschaft bei Viertri“ und der umso dramatischere „Schiffbruch“ von 1778 bei identischen Formaten als Gegenstücke figurieren (Taxe 200.000 bis 300.000 SFR). Mit Pendants tritt auch der Wiener Maler Johann Christian Brand an und hat 1792 zwei pastorale Szenen mit Hirten und ihrem Vieh niedergelegt (Taxe 15.000 bis 25.000 SFR). Rund 30 Jahre zuvor stand Christian Georg Schütz I vor der Leinwand seines Kollegen Johann Ulrich Schnetzler und ließ sich als stattlichen Maler vor der Staffelei portraitieren (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR).
Neuere Meister
Die Neueren Meister geben sich wie gewohnt wesentlich bescheidener, was die preislichen Ansprüche betrifft. Wenn es gut läuft, werden für Franz Richard Unterbergers stimmungsvolle venezianische Stadtansicht mit Palazzo d’Ario 80.000 bis 100.000 Franken fällig, für Carl Spitzwegs hintersinnigen pfeiferauchenden Philosoph „Im Garten“ von circa 1850/55, dessen einziger Begleiter ein kleiner Vogel ist, um die 80.000 bis 120.000. Aus Frankreich ist Eugène Boudin mit der duftigen Kleinstadtimpression „Abbeville. La place Courbet in Saint-Vulfran“ von 1894 für 70.000 bis 90.000 Franken angereist. In stilistisch vergleichbaren impressionistischen Bahnen bewegen sich Stanislas Lépine mit seinem winterlichen Stadtbild „Montmartre. La rue Cortot“ (Taxe 35.000 bis 45.000 SFR) oder Victor Viollet-Le-Duc mit seinem bewölkten Quai de Bercy an der Seine in Paris (Taxe 4.000 bis 6.000 SFR). Mit Maximilien Luces von Violett und Grün geprägter „Route de Campagne à Moulineux“ von 1905 kommt sogar die frühe französische Moderne zum Zug (Taxe 30.000 bis 40.000 SFR).
Die Schule von Barbizon ist zahlreich vertreten und entsendet oft unspektakuläre, dafür aber atmosphärisch dichte Naturschilderungen in die Auktion. Sie stammen etwa von Théodore Rousseau mit der „Cascade“ im Vallée de Chevreuse (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR), von Paul Désiré Trouillebert mit der „Promenade“ zweier Landfrauen an einem bewaldeten Hang (Taxe 15.000 bis 25.000 SFR), von Léon Richet mit seinem Blick in eine flache, waldige Gegend mit einigen Bauernhäusern und einer Frau an einem Bach (Taxe 12.000 bis 18.000 SFR), von Charles-François Daubigny mit seiner abendlichen Sicht auf die von Vögeln umschwirrten „Ruines de Château Gaillard“ (Taxe 25.000 bis 35.000 SFR) oder von Jules Dupré, dessen zwei Menschen auf dem „Chemin du retour“ winzig klein in die Landschaft gesetzt sind (Taxe 9.000 bis 13.000 SFR). Die Schweiz hat mit Jacques-Laurent Agasse und seinem Hundeportrait in einer Berglandschaft (Taxe 22.000 bis 28.000 SFR) sowie Wolfgang-Adam Töpffer und seinem „Colporteur“ vor 1814 die bedeutendsten Exponenten des frühen 19. Jahrhunderts aus ihrem französischsprachigem Landesteil zu bieten (Taxe 36.000 bis 46.000 SFR).
Nordeuropa schickt Johan Christian Dahls winterliche Ansicht der Kathedrale im dänischen Roskilde aus dem Jahr 1828 in mildem farbigem Licht (Taxe 30.000 bis 50.000 SFR), und aus den Niederlanden wiederum kommt Andreas Schelfhouts altmeisterliche Winterlandschaft an einem Gewässer mit Reisigsammlern von 1853 für 50.000 bis 70.000 Franken. Sein Kollege Johan Barthold Jongkind hat sich da weitaus mehr an die reale Natur gehalten und seinen Blick an einem ruhigen Tag über eine weite Flusslandschaft mit einigen Figuren im Vorder- und zwei Mühlen im Mittelgrund schweifen lassen (Taxe 15.000 bis 25.000 SFR). Italien war im 19. Jahrhundert das Sehnsuchtsland vieler nordeuropäischer Maler und ihrer Kundschaft; davon zeugen Johann Jakob Freys Ölstudie eines Ausschnitts aus der Campagna bei Rom mit einigen antiken Ruinen (Taxe 7.000 bis 9.000 SFR), Johann Wilhelm Schirmers mit Schäfer, seiner Herde und einigen Landfrauen angereichte mediterrane Hügelgegend bei einem Brunnen (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR) oder Oswald Achenbachs Kap Orlando, auf dessen kurviger Straße zwischen Sorrent und Castellammare er einige Kutschen wild dahinbrausen lässt (Taxe 30.000 bis 40.000 SFR).
Heimisches bevorzugte der Braunschweiger Maler Heinrich Brandes und hielt idyllisch eine Mühle einem kleinen Sturzbach fest (Taxe 12.000 bis 15.000 SFR). Carl Georg Hasenpflug war auf zerfallene mittelalterliche Kirchen und Burgen meist zur Winterszeit abonniert; so präsentiert sich auch sein Blick auf eine verschneite Kirchenruine von 1848 (Taxe 12.000 bis 18.000 SFR). Das heitere bäuerliche Leben Süddeutschlands verewigte Johann Sperl in seiner Genreszene „Die Kaffeegesellschaft II“ mit sechs Menschen in schwäbischer Tracht (Taxe 25.000 bis 35.000 SFR). Den dazugehörigen Bleistiftentwurf gibt es für 2.000 bis 3.000 SFR). In diese Welt begab sich 1850 auch der Belgier Ferdinand de Braekeleer d.Ä. und nahm eine Mutter mit ihren drei Kinder am Küchentisch auf, während der Vater an offenen Herd noch weitere Waffeln bäckt (Taxe 18.000 bis 25.000 SFR). Humoristisch geht Isidor Kaufmann bei seinem Werk „Der Schumacher“ vor, der eben wohl etwas angeheitert nach Hause gekommen ist, während seine Alte in auf die viele unerledigte Arbeit deutlich aufmerksam macht (Taxe 15.000 bis 25.000 SFR).
Gut vertreten sind auch die russischen Künstler. Mit Schneemassen eingedickt präsentieren sich zwei sonnendurchflutete Winterlandschaften Ivan Fedorovic Choultsés (Taxen je 60.000 bis 80.000 SFR) und eine fast fotografisch genaue Küstenlandschaft desselben Meisters in sommerlichem Abendrot des Jahres 1909 (Taxe 100.000 bis 150.000 SFR). Freunde des weitgereisten Spätromantikers Ivan Konstantinovich Ajvazovskij werden sich vielleicht über seine „Oase in Ägypten“ freuen. 1869 hatte der Künstler in offiziellem Auftrag der Eröffnung des Suez-Kanals beigewohnt, wohl kurz darauf entstand das kleinformatige Ölbild, das den sonst als Marinemaler bekannten Meister somit auch als versierten Orientmaler dokumentiert (Taxe 70.000 bis 90.000 SFR).
Zeichnungen
Jakob Philipp Hackert kommt bei den Arbeiten auf Papier noch einmal prominent zum Zug. Ins Jahr 1767 – da war Hackert genau 30 Jahre alt – datiert seine aquarellierte Federzeichnung einer Fähre über einen Fluss mit dem Château de Gaillon. Das reifere Blatt stammt aus dem Jahr 1798 und zeigt eine dichte Gebirgs- und Höhlengegend in der Nähe des Lago Fucino mit einigen Besuchern (Taxe je 10.000 bis 15.000 SFR). In die Barockzeit geht es mit Jan Brueghels d.Ä. Tuscheskizze mit Planwagen, Reitern und Figuren (Taxe 40.000 bis 70.000 SFR), einem schnell niedergelegten Entwurf zu einem Prometheus von Salvator Rosa oder einer Altarblattstudie mit einer figurenreichen Himmelfahrt Christi zurück, die Cornelis Schut III zugeschrieben wird (Taxe je 8.000 bis 12.000 SFR). Teuerste Zeichnung ist Pierre Dumonstiers I. feines Renaissancebildnis des französischen Adligen Bernard de Nogaret de La Valette aus der Mitte der 1580er Jahre (Taxe 75.000 bis 90.000 SFR). Wer sein heiteres Gemüt auf Vordermann bringen will, sollte sich an die zahlreichen Karikaturen Paul Gavarnis halten. Seine geistreich-ironischen Schilderungen der Pariser Gesellschaft, von denen Koller zehn aquarellierte Blätter zwischen 600 und 1.200 Franken offeriert, erschienen in dortigen Satirezeitschriften wie „Le Charivari“.
Die Auktion beginnt am 28. März um 11 Uhr. Der Katalog mit den Objekten ist unter www.kollerauktionen.ch abrufbar. |