Steinmeier nimmt die Documenta in die Pflicht  |  | Taring Padis überbordende Bildwelten sollen antisemitische Motive enthalten | |
Bei seiner Eröffnungsrede hat Frank-Walter Steinmeier am Wochenende Kritik an der diesjährigen Ausgabe der Documenta in Kassel geäußert und nahm dabei die Antisemitismusvorwürfe in den Blick. In seiner Funktion als Bundespräsident komme er gerade von einem Staatsbesuch aus Indonesien zurück und freue sich besonders über das indonesische Kuratorenteam Ruangrupa. Dennoch habe er gezögert zu erscheinen. Die Schärfe der Kontroverse, die Unversöhnlichkeit im Ton, habe ihn irritiert. So erklärte Steinmeier: „Kunst ist nicht streitfrei zu haben. Eine demokratische Gesellschaft darf Künstler nicht bevormunden, erst recht nicht instrumentalisieren. Und Politik richtet nicht über die Qualität von Kunst. Aber das kann nicht bedeuten, dass all jene, die sich für ihre politischen Botschaften der Kunst bedienen, außerhalb der Kritik bleiben. Zumal dann nicht, wenn sie den politischen Aktivismus zur Kunstform machen. Wer als Künstlerin oder Künstler in das Forum der Politik eintritt, muss sich nicht nur der ästhetischen, sondern auch der politischen Debatte und Kritik stellen.“ Deshalb müsse einem gedankenlosen, leichtfertigen Umgang mit der Anerkennung und Existenzgewissheit des Staates Israel vorgebeugt werden; oder kurz: „Kritik an israelischer Politik ist erlaubt. Doch wo Kritik an Israel umschlägt in die Infragestellung seiner Existenz, ist die Grenze überschritten.“ Dabei spielte Steinmeier auf die Diskussion an, dass das Kuratorenkollektiv Organisationen eingebunden habe, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten.
Es falle auf, wenn auf dieser bedeutenden Ausstellung zeitgenössischer Kunst wohl keine jüdischen Künstlerinnen oder Künstler aus Israel vertreten sind, so Steinmeier weiter. „Und es verstört mich, wenn weltweit neuerdings häufiger Vertreter des globalen Südens sich weigern, an Veranstaltungen, an Konferenzen oder Festivals teilzunehmen, an denen jüdische Israelis teilnehmen.“ Auf Grund der Geschichte Europas, seiner hegemonialen Politik im 19. Jahrhundert, dürfe man die Fragen des globalen Südens nicht außer Acht lassen, ergänzte Steinmeier: „Die Erfahrung von Unterdrückung und Entrechtung. Der Umgang mit geraubtem Kulturgut. Aber auch die heute schon spürbaren, dramatischen Folgen des Klimawandels mit Extremwetter, Dürren, Nahrungsmittelknappheit und Hunger.“ Alle diese wichtigen Fragen blieben wegen der einseitigen Debatte unerörtert. Des Weiteren bedauerte der Bundespräsident, dass direkte Diskussion zwischen den Vertretern des globalen Südens, der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und Israel nicht organisiert werden konnten.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, teile die Kritik Steinmeiers. So sei es den Verantwortlichen der Documenta „nicht gelungen, die Antisemitismus-Vorwürfe in glaubwürdiger Weise auszuräumen“, sagte Klein gegenüber der „Bild am Sonntag“. „Es kann nicht sein, dass Antisemitismus Teil des von der öffentlichen Hand geförderten künstlerischen Diskurses in Deutschland ist.“ Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, lobte ebenfalls das Staatsoberhaupt für seine klaren Worte. Steinmeier habe deutlich gemacht, dass es die Aufgabe der Geschäftsführung und Gesellschafter der Documenta fifteen sei, eine offene Debatte zu den Vorwürfen der Israelfeindlichkeit unter zwingender Einbeziehung der betroffenen Gruppen zu führen.
Laut der Zeitschrift Monopol sei die Kritik Steinmeiers nicht gerechtfertigt. Beiträge aus Israel fehlten, weil die Schau den Fokus nicht auf Kunst westlicher Industrienationen lege. Es gäbe Rufe nach einer anderen Wirtschaftsweise sowie Mahnungen von Ausbeutung durch die westlichen Industrieländer. Die Ausstellungsobjekte würdigten nicht den Staat Israel herab, es gäbe lediglich Beiträge zur schwierigen Situation der Künstler aus dem Gaza-Streifen, die schon Probleme hätten, allein Arbeitsmaterialien zu finden. Inzwischen wurde aber bekannt, dass in satirischen Arbeiten des indonesischen Kollektivs Taring Padi auf der Documenta gleichwohl Karikaturen von Juden aufgetaucht sind. Damit schwäche die Documenta Fifteen ihre Position, so Elke Buhr in der Zeitschrift Monopol. |