Hyunju Oh in Wiesbaden  |  | Hyunju Oh, Remains from Remains of Remains, 2015 | |
Der Nassauische Kunstverein in Wiesbaden widmet der 1988 im südkoreanischen Daegu geborenen Hyunju Oh die Schau „Hier, anderswo“. Die in Frankfurt und ihrer Heimat lebende Künstlerin thematisiert in der Ausstellung die Beziehungen zwischen Existenz, Emotion und Zeit und arbeitet mit den Medien Performance, Fotografie, Sound- und Videoinstallationen. So steht inmitten des Kunstvereins ein alter Holzschrank. Seine Tür ist leicht geöffnet, der Innenraum kaum einsehbar. Doch die Besucher*innen werden der Stimme eines jungen Mädchens gewahr, die den Innenraum des Möbels als Schutzzone gewählt hat. Die Stimme des Kindes ist das einzige, das Rückschlüsse über die versteckte Protagonistin erlaubt: Der Surround-Sound macht die Emotionen, die Erinnerungen und die Existenz des Mädchens erfahrbar, die ebenso kollektiv wie individuell sein können. Hyunju Oh präsentiert ihre ausstellungstitelgebende Arbeit „hier, anderswo“ von 2022 erstmals in Wiesbaden der Öffentlichkeit.
Das Thema der Zeit behandelt Hyunju Oh, die in China, Südkorea und Deutschland Malerei, Klangkunst, Komponieren und Medienkunst studiert hat, 2015 in der Fotoserie „Remains from Remains of Remains“. Die Bilder einer weißen Wand zeigen die Performerin, wie sie schichtweise bei jeder neuen Fotografie die Wand um ein weiteres Stück verringert. Die in Schwarz gekleidete Künstlerin zieht die papierartige Mauer ab, knickt und verknittert sie, so dass sich in jedem Foto andere Licht- und Schatteneffekte ergeben und dadurch die Zeit erfahrbar machen. Am Ende ist nur noch eine weiße Wand zu sehen, Hyunju Oh fehlt, und damit blickt man auf die weiße Wand, die hinter der abgezogenen weißen Wand war. Die Künstlerin stellt hier, so die Mitteilung des Kunstvereins, die Frage danach, woran wir uns erinnern. „Die Wand wird zum Symbol für die Erinnerung, die stets fragmentierter und brüchiger wird. Die Serie bewegt sich damit erneut in einem Spannungsfeld zwischen Handlung und Material, innerhalb der Trichotomie von Zeit, Existenz und Emotion. Während die Serie das Vergessen im Laufe der Zeit darstellt, nutzt die Künstlerin hierfür das Medium der Fotografie, die es vermag, Zeit und Erinnerung festzuhalten und damit vor ihrer Fragmentierung zu schützen.“
Das Thema der Emotion repräsentiert die Videoinstallation „Von_ir“ der Jahre 2011/16 in Form zwischenmenschlicher Beziehungen. Hyunju Oh lässt die mit einem Strich betonte Stelle gezielt leer, so dass sie nach Belieben als ein „Von mir“ oder „Von dir“ gefüllt werden kann. Zu sehen ist eine Interaktion zweier Personen in Zeitlupe. Während zunächst eine Person sichtbar ist, die sich auf die Brust schlägt und mit dem dadurch entstehenden Klang an ein lautes Herzschlagen erinnert, tritt bald eine zweite Person hinzu und umarmt die erste. Diese scheint die Umarmung zu erwidern, schlägt nun jedoch anstatt auf die eigene Brust auf den Rücken der zweiten Person. Die Künstlerin erlaubt mit der verlangsamten Aufnahme eine genaue Beobachtung der Handlung, die zwischen der Geste der Umarmung und der Geste des Schlagens kontrastiert.
Die Ausstellung „Hyunju Oh / hier, anderswo“ läuft bis zum 8. Januar 2023. Der Nassauische Kunstverein hat täglich außer montags von 14 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 20 Uhr sowie am Wochenende schon ab 11 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt regulär 5 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Nassauischer Kunstverein Wiesbaden
Wilhelmstraße 15
D-65185 Wiesbaden
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