Tête de jeune fille
Lithographie auf Zink, mit dem Schabeisen überarbeitet, auf chamoisfarbenem Arches-Velin. 1947.
49,9 x 39,9 cm (65 x 49,8 cm).
Signiert. Auflage 50 num. Ex.
Bloch 423, Güse/Rau 168. |
Losnummer: 8303
Die junge Künstlerin Françoise Gilot ist erst 21 Jahre alt, als sie Picasso 1943 in Paris kennenlernt. Der vierzig Jahre ältere Künstler, damals noch in Begleitung seiner vorigen Gefährtin Dora Maar, verliebt sich in die unbekümmerte junge Frau. In ihrer stürmischen, neun Jahre dauernden Beziehung entstehen unzählige seiner berühmten Frauenbildnisse, wenn auch in den ersten drei Jahren nur eine einzige Lithographie. Diese erste Porträtlithographie mit Françoises schönen, klaren Zügen, betitelt "Tête de femme", zeichnet Picasso am 2. November 1945 in Mourlots Atelier. Der Name seiner Geliebten jedoch taucht erst später, erstmals im Juni 1946, im Titel einer Lithographie auf.
Nun zeichnet der Künstler tagelang nacheinander verschiedene, aufeinander folgende Zustände einer Darstellung, die sich vielmehr als Variationen eines Motivs bezeichnen lassen, so z. B. die Lithographien Rau 55-64, die zwischen November 1945 und Februar 1946 zehn Fassungen des Mädchenkopfes in ganz unterschiedlichen, eigenständigen Lösungen durchspielen. In bemerkenswerter Direktheit zeigt Picasso den Kopf meist en face, aus solcher Nähe, dass er die Darstellung nahezu auszufüllen scheint. Françoises mandelförmige Augen unter den gebogenen Brauen, den "circonflexes", wie Henri Matisse sie nannte, blicken direkt auf den Betrachter. Ihr volles, welliges Haar, in der Mitte gescheitelt, umrahmt dunkel und locker das Gesicht und den schlanken Hals. Indem Picasso die Darstellung immer wieder variiert, untersucht er das Motiv in all seinen Aspekten und Wahrnehmungsmöglichkeiten. So entstehen mit seinen Lithographien spektakuläre Werkreihen, die wie Tagebucheinträge die Arbeitsweise des Künstlers verdeutlichen.
Das hier vorliegende Motiv "Tête de jeune fille" zeichnet Picasso am 5. und vermutlich am 10. März 1947. An diesen beiden Tagen entstehen insgesamt vier Varianten. Mit Pinsel und mit Feder arbeitet er auf einer Zinkplatte das Bildnis heraus, auch hier en face, etwas zarter als noch 1945/46. Im weiteren Arbeitsverlauf verleiht er der Darstellung mit Lavis die zarten Halbtöne, verstärkt mit dem Schaber die Konturen und kratzt klare, helle, belebende Linien ins tiefe Dunkel das geschwärzten Untergrundes, bis dieser vierte Zustand Licht und Schatten auf Françoises Gesicht und im Haar in beeindruckender Feinheit, Klarheit und Plastizität durchmodelliert zeigt. Auch hier entwickelt Picasso das Porträtmotiv nicht primär formal weiter, sondern er variiert es vielmehr inhaltlich in seinem Blick auf die Geliebte.
Prachtvoller, herrlich nuancierter Druck des letzten Zustands mit breitem Rand. Güse/Rau notieren noch 5 Exemplare dieses letzten Zustandes, die Auflage betrug jedoch 50 numerierte Drucke.
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